Er tritt vor die Kamera, in Erwartung ein kurzes Video für das Media-Team zu machen. Während er von dem Teleprompter einen Text abliest, schleichen sich Offizielle des Teams hinter ihn und betreten den Filmbereich. Gerade als ihm die Zahlen auf dem Bildschirm vor ihm etwas zu sagen beginnen muss er sich unterbrechen als er feststellt, dass die Lions Ownerin hinter ihm steht. Es ist der 23.10.2021 und unser Held erhält soeben die Mitteilung, dass er in den Ring of Honor, die Lions Pride, aufgenommen wird. Doch von wem ist die Rede? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir ein paar Jahrzehnte zurückgehen:
Wir schreiben das Jahr 1988 als der Sport den wir heute kennen noch ein ganz anderer war. In Runde zwei, an 29ter Stelle wird Chris Spielman, der dreimalige All American Linebacker von der Ohio State University, von den Detroit Lions gedraftet. Man konnte damals ahnen, dass er großes Talent und Geschick auf dem Feld haben wird. Was man jedoch nicht ahnte war, welchen Einfluss er langfristig auf das Team haben wird das ihn soeben gedraftet hat und zwar auf und auch abseits des Feldes. Spielman spielte von 1988 bis 1995 für die Lions. In 7 Jahren kämpfte er sich bis zum noch heute unangefochtenen Tackle-Leader der Franchise vor. Mit insgesamt 1.138 Tackles hat er einen Meilenstein für die Organisation gesetzt. Dazu kommen 30 verteidigte Pässe, 10 Sacks, 4 Interceptions, 13 forced fumbles und 17 fumble recoveries. Was sich liest wie ein Monster auf dem Feld war auch eines. Spielman war ein Spieler nach ganz alten Büchern, diese Mentalität vertritt er auch heute noch. Man vergleicht ihn auch mit solchen Spielern, die damals nur Ledermützen aufhatten und sich mit Gewalt gegenseitig umgeworfen haben. Sein Ziel auf dem Feld war es, dich in den Boden einzuarbeiten. Und das tat er mit fast unheimlicher Hingabe.
Ein zielstrebiger, unnachgiebiger Mann, darauf aus, sein Zeil zu erreichen. Und wenn er es erreichte, dann war er immer noch nicht mit sich zufrieden. Der Quarterback war schon am Boden, bevor er das Feld gescannt hat? Spielman wollte schneller sein. Der Runningback wird an der Line of Scrimmage zu Boden geworfen? Spielman wollte ihn noch weit dahinter treffen. Ein “wahrer Footballspieler”, der Football seit seiner Kindheit atmet und lebt.
Dieser Gedanke war es auch der ihn dazu brachte, seine Karriere vorzeitig zu beenden. Nicht weil er sich selber nicht genug war, der Grund war ein furchtbarer anderer.
Seine Frau Stefanie hatte 1998 eine Fehlgeburt und kurz darauf wurde bei ihr Krebs diagnostiziert. Als Ehemann und Lebensgefährte sah sich Chris in der Pflicht, die Krankheit seiner Frau voll anzugreifen und bei ihr zu bleiben. Stefanie Spielman litt schwer unter dem Krebs und Chris hat alles für sie aufgegeben, um für sie da zu sein. Sie sollten noch einige glückliche Jahre zusammen haben und ihre vier Kinder zusammen großziehen. Stefanie erlag 2009 den Folgen einer weiteren Krebserkrankung. Bis zu ihrem Tod hat sie sich an der Seite ihres Mannes für die Hilfe und Wahrnehmung von Krebs in der Öffentlichkeit eingesetzt. Gemeinsam haben die Spielmans eine Organisation zur Krebshilfe gestartet und vielen Menschen bei ihrem Kampf an der Seite von Erkrankten und Geliebten Menschen gegen den Krebs beigestanden.
Spielman, Lions Pride:
Wieder zurück, beinahe in der Gegenwart. 2020 wird Spielman als spezieller Assistent für die Vorsitzende Präsidentin & CEO der Lions Sheila Ford Hamp eingestellt. Er ist einer der großen Schlüsselfiguren für die Lions. Seinem Zutun haben es die Fans zu verdanken, dass die Ära des Matt Patricia 2020 endete und dafür die absolut wahnsinnige Reise mit Dan Campbell und Brad Holmes als Lokführer begann. Doch was macht ein spezieller Assistent eigentlich, in einer solchen Organisation? Spielman hat keine wirkliche Aufgabe. Was vielleicht klingt wie die Rolle eines total versnobten Geschäftsführerkindes wirkt sich aber ganz anders aus, als man es glaubt. Um zu verstehen wie das funktioniert, muss man sich eines vor Augen halten: Sheila ist selber ein großer Footballfan, wurde jedoch von ihrem Vater aus diesem Teil des Geschäftes lange Zeit herausgehalten. Sie wollte endlich die Jahre des schlechten Managements dieses Teams los werden und das Team zu dem machen, das es verdient zu sein: Ein Siegerteam. Und dazu brauchte sie jemanden der Football so liebt wie es Chris tut. Chris hat einen sehr großen Teil seines Lebens dem Football gewidmet. Schon als Kind hat er versucht Leute zu tackeln, darunter auch seine Oma, um seiner Familie zu zeigen, dass er es kann. Er stammt aus einer Football liebenden Familie. Und diese Liebe ist auch genau der Grund, wieso er eingestellt wurde.
Wenn man sich diese Charakterzüge vor Augen hält wird sehr schnell klar, was sein Einfluss auf die Lions Organisation bedeutet. Wenn man sich alleine den Coachingstaff ansieht mit Campbell an der Front und Johnson und Glenn als seine Main-Assistant Coaches, dann sieht man, das auch hier absolute Football-Menschen zum Einsatz kommen. Aber hier hört es nicht auf. Auch die Spieler die nach Detroit geholt werden, via Draft, Trade oder Free Agency, werden an diesen Dingen gemessen: Liebt Football, liebt es Football zu spielen und will immer das Beste von sich zeigen.
Ihm ist zu verdanken, dass der Spaß an dem Sport wieder in den Fordschen Hallen Einzug gehalten hat. Und seine Identität, die schon als Spieler so stark ausgeprägt war, ist das Image der Lions heute. Spielman wird als Lion bezeichnet, doch die Lions in der neuen Ära sind viel mehr Chris Spielman als alles andere. Wenn Dan Campbell davon spricht wieder aufzustehen, egal wie hart man getroffen wird und das immer wieder macht, dann sollte man Spielman vor Augen haben. Und so hat der Mann der keine richtige Stellenbeschreibung hat es geschafft, dieses Franchise dort hin zu bringen wo sie heute ist.
Auch wenn Chris eher ein Mensch ist der sich nicht gerne in das Rampenlicht begibt, so ist seine Arbeit überall im Team zu merken. Er zieht im Hintergrund ein paar sehr wichtige Strippen und hat gezeigt, wie positiv es sich auf ein Franchise auswirken kann, wenn alle die im Gebäude sind den Sport und das was sie tun lieben. Und das führt uns zurück zum Start. Als Chris erfährt, dass er in die Lions Pride aufgenommen wird, bricht er in Tränen aus. Chris war den Lions so lange treu und hat für diese Franchise so vieles – so leise – erreicht, dass der Einzug in die Lions Pride die kleinste Ehre ist, die wir ihm zusprechen können. Chris hat das Erbe der Lions signifikant zum Positiven gewendet. Chris Spielman ist der erste Held, der wenig besungen ist. Man sollte jedoch wissen, wer er ist, woher er kommt und was er wirklich für das Team getan hat. Die größte Teilhabe wird nicht immer mit dem Megafon in die Welt geschrien. Und es ist auch wichtig, dass man diese leiseren Stimmen wahrnimmt. Und wer mehr über den „wahren Footballspieler“ erfahren will, sollte sich die Reportage „A Football Life: Chris Spielman“ ansehen (verfügbar auf dem NFL Gamepass).